Der folgende Text erscheint auch in der bald erscheinenden ersten Nummer von "Kunst und Volksempfinden", sowie im Jahrbuch des Künstlerhauses Schloss Balmoral und ist demnächst im Buchhandel erhältlich. Es handelt sich um eine erweiterte Version des Vortrags, den ich letztes Jahr unter teilweise heftigem Protest des Publikums (aber auch einiger Zustimmung) in der Mainzer Kunsthalle gehalten habe. Hier geht es um Erfolg, und Misserfolg Sozialistischen und Kapitalistischen Realismus, die (Neue) Leipziger Schule, the Bernadette Foundation und vieles mehr aus der Sicht von...Junkies!.
Stoffarmut!
oder: ...alle Wege führen nach Bitterfeld
von Diego Castro
Wenn wir die dialektische Frage „Was ist künstlerischer Erfolg“ abseits schnöder monetärer Kalkulation und abseits einer den Egozentriker beglückenden Art von positiver Verstärkung erörtern, könnte eine Antwort lauten: „Künstlerischer Erfolg ist eine maximale Expansion von unabhängigem kritisch-künstlerischem Denken als öffentliche Diskussion innerhalb einer gesamtgesellschaftlichen Narration, die der Gesellschaftskritiker als wahrhaftigen Fortschritt bezeichnen könnte.“ Mit anderen Worten: Je mehr Kunst als kritischer Block Bestandteil eines gesellschaftlichen Dialoges ist, je mehr sie gesellschaftliche Impulse auszulösen vermag, selbstreinigende Kräfte mobilisiert – selbst wenn ihr nichts weiter gelingt, als den Unmut des konservativ- affirmationistischen Boulevards auf sich zu ziehen – desto mehr könnte man ihr Wirken als erfolgreich in unserem Sinne bezeichnen. Auch die Subversion des Kunstmarktes, und sei sie auch noch so plump, ist für uns mehr als Erfolg: Sie bedeutet Triumph! Allerdings ist alles Jubilieren hier allenthalben die Freude über einen kleinen Treffer auf dem Schützenfest oder hämisches Gelächter, das auf ein Tortenattentat folgt. Wir sagen Euch: Dass revolutionäre Kunst nicht Mittel zur Revolution ist, sondern nur Symptom derselben sein kann, aber nicht muss, ist uns klar. Unser Problem heißt: Keiner hört uns zu und wenn es einem doch widerfährt, dann vermutet dieser ein Spiel, oder noch schlimmer: einen Scherz! Ist das vielleicht unsere Schuld?
Ein trauriges Kapitel
Mythischen Experimenten, privater Biedermeierei oder verklärt-verschwiegener Melancholie, die bis zur egomanischen Schnöseligkeit geht, gelingt es im Moment viel eher, öffentliches Interesse auf sich zu ziehen. Das resultiert nicht zuletzt aus dem monopolistischen, konservativem Vorstoß der bürgerlichen Medien, die im Zusammenhang mit einem seit den frühen 90er-Jahren bis heute zunehmend technokratisch-konservativen, anti-avantgardistisch ausgerichtetem Markt (einschließlich seines Einflusses auf die staatlichen und halbstaatlichen Institutionen) einen reaktionären und sehr einflussreichen kulturindustriellen Komplex bildet. Dieser Komplex verteidigt und forciert mit nicht zu unterschätzender Vehemenz das eigene Interesse, welches – täuschen wir uns nicht – keineswegs rein kommerzieller Natur ist. Das neoliberale Dogma, welches Kritisches und Anstößiges, so denn es dem Profit diene, gewähren lässt, stößt hier an Grenzen: Inhaltlich wird einer gesellschaftlichen Mission der Weg geebnet, die bedeutet: Neokonservatismus, der sich bezahlt macht. Durch eine Kombination von teils gefälliger Formensprache, teils produzierter, kontrollierter, substitutiver, delegierter und somit unterdrückerischer Wildheit versucht die neokonservative Reaktion ihre Produkte zu platzieren, mehr noch: die richtige Stimmung zur richtigen Aufnahme des ideologisch gefärbten Produktes zu schaffen.
Da es sich bei der Kunst um ein besonderes kulturelles Erzeugnis handelt, nämlich um eines, dass die Kultur als sein wertvollstes Derivat hervorbringt, muss die Kontrolle dieses Hervorbringungsprozesses sehr weit greifen. Ironischerweise nennt sich ein sehr erfolgreiches, junges Presseorgan dieser neokonservativen und gleichzeitig neoliberalen Haltung Monopol. Konservativ deshalb, weil sich das Medium trotz scheinbar progressiver, allerdings technokratischer, Trendsetterei für besonders unkritische und auch formal konservative künstlerische Positionen auf ultra-personalisierter People-Ebene stark macht. Dieses dient ein weiteres Mal dazu, der selbst gewählten Vorreiterstellung im postfordistisch organisierten Produktionsapparat gerecht werden zu können. So wird die Verhandlung der Style-Frage unter Trendsettern durch ihr vorhersagbares, elitäres Ergebnis auch zur Klassenfrage. Es geht hier darum, den Diskurs einer sozial relativ mobilen bürgerlichen Oberschülerschicht zu affirmieren, was bedeutet: Klassenmässige Abschottung durch eine Performanz der Permeabilität. Kürzer: Monopol ist das Fachblatt für den Habitus der Generation Golf.
Es verspricht die gespaltene Zunge des Neoliberalismus Chancengleichheit, Partizipation und Demokratisierung, und verkauft in der Sprache des Sozialisten, des Individualisten, des Utopisten, des Radikaldemokraten oder des Anarchisten, ein System individueller Freiheiten. Hiervon sollen jene Predatoren profitieren, die im marktradikal zugespitzten Sozialdarwinismus, aufgrund ihrer guten Erbanlagen ruhig schlafen können. Auf alle anderen fällt das Leistungprinzip als Heimsuchung zurück: Sie haben es nicht geschafft, Pech gehabt!
Auf den zweiten Blick macht dieser Widerspruch also durchaus Sinn: Zunächst scheint der Mythos einer enthierarchisierten und demokratisierten Kultur der Existenz realer struktureller Ungleichheiten zu widersprechen. Als Beispiel sei hier nur das Bildungsniveau als Indikator stratifikatorischer Rigidität genannt, die Adornos und Horkheimers These, dass die Kulturindustrie ihre Konsumenten immerwährend um das betrüge, was sie immerwährend verspreche, zu bestätigen scheint. Ebenso verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der Gewährung relativer Freiheiten. Die Auflösung rigid-konservativer Formstrenge beinhaltet ja nicht zwingend die Aufhebung konservativer Inhalte oder gar die Auflösung der institutionellen Repression. Die hier stattfindende repressive Entsublimisierung dient mehr denn je dem Projekt ökonomischer und institutioneller Steuerung und Kontrolle.
Das gebrochene Versprechen der neoliberalen „Kulturrevolution“ wirkt natürlich systembestärkend: Die Ungleichheit wird scheinbar bekämpft, das System kann nicht mehr der Ungerechtigkeit bezichtigt werden, der ungleich Behandelte ist der Selektion ausgeliefert: Entweder als Fett oben mitschwimmen oder untergehen.
Die eben angedeutete aus dem inneren Kreis der Frankfurter Schule stammende Analyse der Kulturindustrie als Formation eines dem Fordismus in seiner Entwicklung hinterherhinkenden Produktionsbereichs, der lediglich danach trachten würde, die angeblich fortgeschrittenen Produktionsweisen Taylors und Fords zu reproduzieren, dieser Analyse also entgegnet die postoperaistische Sichtweise, dass die Kulturindustrie im Gegenteil die neuere post-fordistische Produktionsweise ideell, strukturell und praktisch antizipiert. Zentral für diese mittlerweile weit verbreitete Produktionsweise seien informelle Strukturen in zeitlichen, räumlichen und hierarchischen Abgrenzungen, die wir vorhin als „relative Freiheiten“ angesprochen haben. Diese setzen sich zusammen aus einer Offenheit für Improvisationen bzw. unvorhergesehene Effekte sowie der Flexibilisierung traditioneller Arbeitsteilung. Beispiel: verflachte Hierarchien als strukturelle Maßnahme vorgeblicher Selbstbestimmung. Kritik innerhalb dieser Strukturen wird keinesfalls mit Repressalien geahndet, sondern ist konsekutiv ein konstruktiver Bestandteil eines auf ständige Erneuerung zielenden, zukunftsorientierten und exklusionistisch-repressiven Produktionsapparats. Hieraus ergibt sich auch die Attraktivität des Künstlerberufs und seiner individualistisch-chaotischen Produktionsweisen für die Vertreter der Wirtschaft. Die Rolle der kritischen Kunst ist in dieser Relation zwiespältig. Wird diese toleriert, so könnte man mit Adorno und Horkheimer vermuten: „Was widersteht, darf überleben nur, indem es sich eingliedert. Einmal in seiner Differenz von der Kulturindustrie registriert, gehört es schon dazu, wie Bodenreformer zum Kapitalismus.“ Diesem Dilemma ist zum Beispiel die kritische Kunst eines Thomas Hirschhorn ausgesetzt, die – trotz aller Widerständigkeit – dergestalt integrierbar bleibt, dass sie dazu dient, die Fortschrittlichkeit der Schweiz zu repräsentieren. Dass das nicht immer gelingt ist eindeutiges Qualitätsmerkmal in Hirschhorns Werk, sagt aber mehr über den dahinter stehenden kulturellen Mechanismus aus als über Hirschhorns Werk. So dient auch kritische Kunst der Steigerung institutioneller Kredibilität und untersteht einem repressiv-toleranten Integrationismus. Wichtiger erscheinen jedoch in Zeiten staatlichen Rückzugs aus sozialen und kulturellen Verantwortungen die Rolle und die Konditionen der Kunst in einer zunehmend von Unternehmensphilosophien und unternehmerischem Geist bestimmten kulturellen Landschaft.
Kommen wir aber von der Kontemplation über die unkritisch-kommerzielle Erfolgsmaschinerie zur ursprünglichen Frage des Erfolges zurück, so treffen wir nach diesem kleinen Exkurs in die Welt der „Monopolisten“ unweigerlich auf die Erfolgsstory der deutschen Kunst der Nachwendezeit schlechthin: der neuen Leipziger Schule. Ich fände es richtig, diese Strömung, trotz aller angeblichen oder auch offensichtlichen formalen Differenzierungsmöglichkeiten, durchaus als veritable Kunstrichtung im ideologischen Sinne zu betrachten. Der Erfolg der Leipziger ist ja sehr leicht zu beschreiben. Gepuscht oder lanciert von cleveren Galeristen traf hier eine der Leipziger Schule entstammende Künstlergeneration auf eine sehr interessierte amerikanische Jäger- und Sammlerszene, was wiederum aufgrund des hieraus entstehenden überwältigenden Erfolges die Presse, Museen und Kulturpolitik interessierte und einmal mehr beweist, dass nur Erfolg im kapitalistischen System der Schlüssel zu (mehr) Erfolg ist. Was die amerikanischen Sammler mittlerweile fast schon traditionell an der deutschen Malerei interessiert, ist die Befriedigung eines Fetischismus für Historienmalerei und eines gewissen Doom-Faktors, durchaus vergleichbar mit dem amerikanischen Erfolg der deutschen Band Rammstein oder der obsessiven Darstellung des Deutschen als Nazi-Schergen in Hollywood-Filmen oder dem Erfolg des düsteren Nationalgrufties Anselm Kiefer in den Achzigern. Zeitgenosse Jonathan Meese hat glücklicherweise den irrsinnigen Humor und die Oberflächlichkeit solcher zardozianischer National- und Totalitärmythologie mit dem gebührenden Unernst auch auf den amerikanischen Markt geworfen, und man dankt es ihm mit unbekümmerten Ankäufen, die nichts anderes sind als ein Ausdruck von Unwissen, wobei man sich streiten kann, ob das Wissen oder aber das Unwissen über Meeses selbsterteilten verzweifelten Auftrag der Entmythisierung ursächlich für seinen Erfolg sei.
Wer sich mit solchen Fragen nicht beschäftigen mag, sondern einfach nur die deutsche Wertarbeit (oder zumindest das, was noch so tut als ob) liebt, der stürzt sich nun mit ähnlichem Fetischismus auf die etwas jüngere deutsche Vergangenheit stalinistischen Staatsterrors und realsozialistischer, kontrollstaatlicher Stasimanie. Dass dabei die Inhaltlichkeit auf der Strecke bleibt und hier die Abwesenheit von Geschichte herrscht, von Geschichten, von Menschen und von Gesellschaft, wird billigend (aber teuer) in Kauf genommen. Das ererbte historische Vokabular (sprich: Historienmalerei), dass sich von seinen Bedeutungen abgelöst zu haben scheint, stand in seiner Blösse der Begeisterung der amerikanischen Sammler ebenso wenig im Weg, wie der lange Zeit herrschenden Jubellaune der Kulturberichterstattung und der nach “endlich-wieder” Malerei lechzenden Museumsdirektoren.
Der lange Marsch durch die Institutionen, oder: Zeittotschläger
Wir leben in einer Zeit der Überschreibung inhaltlicher Diskurse von der Kunst auf die Institutionen. Das heißt, das Thema findet nicht mehr im Werk (z. B. auf Leinwand) statt, sondern wird kontextuell durch den Curator’s Digest in Katalogform, Besucherführung oder auf DIN A4 Zetteln hergestellt. In solchen Zeiten erscheint es nur konsequent, die Kunstdiskurse von den vor der Macht kuschenden Künstlern auf die stärkeren Institutionen zu überschreiben. Ein Gang durch die Sammlungen dieser tristen, malerischen Manifestationen künstlerischer Aporie erscheint denn auch wie ein Spaziergang durch die abgewickelten Industriebrachen von Bitterfeld. Ich zitiere Hanns Werner Schmidt, Direktor der Leipziger Kunsthalle: „Obwohl die Bilder großteils in Gegenständlichkeit ausformuliert sind, bleibt das Innerste, das sie zusammenhält, abstrakt. [...] Es sind Stimmungsbilder, die eine melancholische Gelassenheit im Status quo zeigen“.
Ich schließe mich seiner Meinung an, wenn Schmidt behauptet, das Innerste bleibe abstrakt. „Abstrakt“ als Unfähigkeit, die Vorherrschende innere Leere mehr als nur zu formalisieren, sondern auch herleiten zu können und der aus dieser Herleitung unweigerlich resultierenden Politisierung ihre narrative Kraft zu gewähren. Richtig ist folglich, dass es sich hierbei um Stimmungsbilder handelt. Gefragt wird aber nicht: „Warum [Grafiker: Bitte kursiv hervorheben!] geht es mir so dreckig?“
Kommen wir aber zum eigentlichen Kern der Aussage: „Es sind Stimmungsbilder, die eine Gelassenheit im Status quo zeigen“. Gelassenheit? Ein schwammiger Ausdruck! Gelassenheit im Sinne von Affirmation, Ignoranz oder gelähmter Depression? Oder ist das vielleicht schon zu weit gedacht? Vielleicht geht es noch oberflächlicher: „Mir geht’s nicht gut.“ Punkt. Geschichte ist. Punkt. Ende der Fahnenstange. Also weder: Die Geschichte ist vorbei, mal gewesen, vielleicht immer noch da, oder aber Geschichte wird gemacht. Nein, es ist Atempause. Der Hauch der Geschichte hält inne und saugt weder ein noch aus. Er ist nur noch durch seinen leicht fauligen Mundgeruch bemerkbar. Indes steht der Maler an einem verregneten Tag an einer stillgelegten Bushaltestelle im Osten der Republik und wartet traurig.
Aber selbst wenn er die Angst überwände, ein geschichtlich-verbindliches Statement von sich zu geben; selbst wenn er sich zur Abwechslung mal nicht dem universalistischen, zu allem kompatiblen, absatzorientierten Utilitarismus der marktmäßigen Kunst unterstellen würde und nun sagte: Geschichte wird gemacht, z. B. von denen, die über sie schreiben, bzw. malen, selbst wenn man all das also überwände, bliebe man hier doch in der archivarischen Ruhe der geschichtlichen Klamottenkiste gefangen. Weil es nicht anders gewollt wird. Weil die Idee, künstlerisch etwas zu fordern, im Paradies verpönt ist. Weil da etwas aus Ruinen auferstanden ist, das aussieht wie Guido Knopp und mit der blechernen Stimme Adenauers ruft „Wir wählen die Freiheit!“, während sportliche Fanfaren erklingen und HP-Baxxter das Land leer shoutet. Weil Gerhard Schröder Kultur zur Chefsache erklärt hatte. Weil Guido Westerwelle Sammler ostdeutscher Malerei ist. Weil man sich vor Angst in die Hosen scheißt bei dem Gedanken, Guidos Spaßmobil könnte irgendwann mal vorbeisausen ohne anzuhalten, so wie der ICE bei Bitterfeld, wo man bitte nicht aus dem Fenster sehen sollte.
Helmut Kohl war kein Lügner. Helmut war Gott. Und sein Volk sprach: „Wir wollen die Mark“ Und der Gott sprach: So und so viel! Und damit müsse sich der Erdenmensch-Ost jetzt zufrieden geben. Und er könne sich nicht beklagen. Dieser gerettete Mensch verfällt nun, da er alles Schöne vom Himmel erhalten habe, und alles Schlechte verloren, in eine merkwürdige grauschleierige, vermalte Melancholie. Helmut Schmidt und viele andere Wessis werden nicht müde zu sagen, sie könnten diese neue Ostalgie nicht verstehen. Sie können nicht verstehen, dass man auch in der DDR eine schöne Kindheit haben konnte. Aber zum Glück kann man das, was man in Talkshows nicht sagen darf, wenigstens malen. Und zum Glück können die Männer des Westens diese unverstandenen Schwelgereien kaufen.
Aus den neuen Bundesländern, in denen harte und härteste soziale Realitäten das Leben der Menschen beherrschen, wo Arbeitslosigkeit, Ausbeutung und Perspektivlosigkeit ein Klima der Resignation und demokratiefeindliche Ressentiments schaffen, die Nährboden für Rechtsradikalismus und Fremdenverfolgung sind, gerade von hier kommt eine Kunst, die sich mit der unmittelbaren Realität vor den Atelierwänden kaum befasst. Stattdessen blicken wir auf die vor Phantasie blühenden Landschaften von Neo Rauch, weltfremden Surrealismuskitsch von Tilo Baumgärtel oder die oberflächenhaften Architekturmalereien David Schnells oder Eberhard Havekosts.
Ein wichtiger Grund für die Weltflucht in jenseitige Bewusstseinsebenen oder schlichtweg in surreal-quatschige Phantasiewelten war natürlich die staatliche Realismus-Doktrin in den realsozialistischen Ländern. Der hier vorgefundene, sehr spezifische und zu damaliger Zeit an sehr vielen Kunsthochschulen des Ostblocks praktizierte Ost-Surrealismus, in dem der Künstler auf dem Regenbogen spazieren geht, Frauen im Inneren von Seifenblasen in Embryonalstellung kauern und Pferde frei und high alle nach Bitterfeld führenden Wege zertrampeln, möglichst ohne Staub aufzuwirbeln, war natürlich ein Ausdruck bürgerlicher Revolte und bekam Sinn durch die äußeren Zustände des totalitären Ostens, durch seine Zensur, seine Dissidentenverfolgung, die bigotten Inszenierungen selbstzerfleischerischer Selbstkritik im Namen des dialektischen Materialismus, kontrollstaatlichen Bespitzelungs- und Überwachungswahn und nicht zuletzt durch politischen Knast. Der Realismus, der aus der Formalismusdebatte hervorgehen sollte, war mitunter auch Verhandlungsbasis in einer Diskussion um die Legitimität der surrealistischen Form. Nicht selten ging diese zu Ungnade des Künstlers aus, wie im Falle eines Manfred Kastner, und nicht selten waren hier kosmische Landschaften mehr oder minder verschlüsselte Republikfluchtsphantasien im surrealistischen Schlafrock. Dies war durchaus eine Art dissidentischer Geheimcode, der sich nicht nur in der Kunst, sondern durchaus auch in den magisch-versponnen Texten von DDR-Rockbands der 70er- und 80er-Jahre manifestierte. Wer sich heute das Album Schwanenkönig von Karat anhört, wird sofort verstehen, was ich meine. Dass sich neben dem staatskünstlichen Formenrepertoire auch diese trotz allem Kitsch und trotz aller Verschlafenheit als dissidentisch einzustufenden Kulturversatzstücke als Gespenst in der Gegenwartskunst der Ex-DDR halten, ist nach dem Zusammenbruch des Sozialismus mehr als verwunderlich, zumal hier die geschichtliche Fracht scheinbar nur noch formalisiert und nicht verhandelt wird.
Man hätte hoffen können, dass die solange geknebelte Kunst, nach der Entfesselung eine Schnauze hätte entwickeln können, vor der selbst Biermann vor Neid erblasst wäre.
Wo nicht nur die Freiheit zu pro-westlichen – ja sagen wir es ruhig – kapitalistischen Diskursen vorliegt, sondern diese mit offenen Armen empfangen wurden, so wie man eine Dampfwalze in die Arme schliesst, ist die Abwesenheit von konkreten Statements zunächst vielleicht frappierend. Die Logik, die hierin liegt, erschließt sich vielleicht, wenn man davon ausgeht, dass das herrschende gesellschaftliche Medium im Realsozialismus die Sprache, genauer gesagt, der dialektische Materialismus war, während das Medium im Kapitalismus die Ökonomie ist, also die Unterteilung von allem in Erfolg oder Misserfolg. Dass die märchenhafte Verzauberung dem Spektakel näher steht als der Dialektik, brauche ich hier wohl nicht weiter zu erläutern. Der Untergang der DDR brachte dieses Vokabular zu gesamtgesellschaftlicher Dialektik zum Verschwinden. Was blieb, waren die Märchen.
Der Plattenbau war revolutionär. Die Plattenbaumalerei nicht.
Dass im Lager der Plattenbaumaler sich der modernistische Funktionalismus dem Ornament anheim gibt, spricht ebenfalls Bände und scheint wie die gelebte Umkehrung von Adolf Loos’ Ausspruch: „Das Kunstwerk ist revolutionär, das Haus konservativ.“ Aber seien wir nicht ungerecht: Die Wahrheit ist, dass da, wo der Bitterfelder Weg zum Trampelpfad wurde und wo heute nur noch Gras drüber wächst (es heißt ja, die Natur hole sich die verlassenen Städte allmählich zurück), dass also hier Efeu über die abgewickelten Industrieanlagen rankt wie über die historischen Versatzstücke ostdeutscher Identität auf den Leinwänden der Hofmaler, der Kriegsgewinnler, der Treuhandanstältler und der Boys von der Ivy League. Die Preisfrage lautet: Für wen malen die Ossis? Oder fallen Ihnen vielleicht namhafte ostdeutsche Sammler zeitgenössischer Malerei ein? Na also!
Aber lassen Sie uns weiter darüber sinnieren, wie es zu derartiger Stoffarmut kommen konnte. Die Gründe dafür nur psychologisierend oder soziologisierend in der Abwicklung und allgemeinen Verarschung des Ostens durch den Westen zu suchen, wäre ebenso unvollständig wie falsch: Im Osten begegnet man der Problematik des kapitalistischen Produktionsethos immer noch stolz – weil noch nicht von Randstadt geschluckt – nach Hausmacher-Art mit Palette und Pinsel und ist bei so vielen Überstunden im Atelier froh, die Diskursarbeit in die treuen Hände findiger Galeristen und gewiefter Ausstellungsmacher geben zu können.
Im Westen hingegen lebt man schon lange vor, wie moderne Arbeitsteilung auszusehen hat: Die auf die Ermattung nach hilflosen Selbstpräkarisierung-als-Kunstform-Projekten der 90er folgende Aporie, geboren aus der zunächst zerstörerischen, dann aber entspannenden Erfahrung, gegen die Windmühlen des Kapitalismus doch ohnmächtig zu sein (Wat’n Glück, man kann sich eh nicht mehr wehren. Erstmal Beine hoch), dieser Quell negativistischen Denkens bei gleichzeitigem affirmativem Handeln, Manifest aporistischem „Trotzdem-Tuns“, diese Ermattung, die heute Künstlergruppen wie „The Bernadette Foundation“ in ihrem blasierten Weltuntergangskunst-Chique nährt, diese ratlose, bohrende und quälende Selbstbefragung hat man hier auf den in der Regel abgebrüht, unberührt bleibenden Ausstellungsbesucher weiter delegiert. Vorbei die Zeiten, in denen man sich als Künstler noch mit der Unmöglichkeit, geschweige denn mit der Möglichkeit, die Welt verändern zu können, abgeben musste.
Die relationelle Ästhetik – mittlerweile durchaus massenkompatibler Mainstream – bietet die Lösung aller alten Probleme wie zum Beispiel die Isolation des Einzelnen im Konsumkapitalismus, die Präkarisierung des Privatlebens (und somit des Emotionalen) durch flexible Arbeitsstrukturen und so weiter als Simulation für angeblich „Alle“ zugänglich gemacht, tatsächlich aber nur für einige wenige, genauer diejenigen, die über die Produktionsmittel zur Kunstbeflissenheit verfügen.
Hier wird vorgelebt, wie man in der Instrumentalisierung und Unterordnung so etwas wie Selbstbestimmung trotzdem fühlen kann. Die Künstler, oftmals selbst Opfer prekärer Strukturen oder aber auch Erzeuger prekärer Strukturen (also Assistent sein oder Assistenten beschäftigen), haben die Frage nach dem revolutionären Potenzial von Kunst in Geringschätzung dieses Aspekts, der schließlich einmal maßgebend für die Moderne war, abgegeben. Das Publikum soll sich damit beschäftigen (gleichwohl es das sowie nicht macht). Die Kuratoren sollen sich damit beschäftigen. In dieser Form von Arbeitsteilung ging vor allen Dingen eines verloren: Die Selbstbestimmung der Künstler. Denn wer seinen eigenen Diskurs nicht bestimmt, der ist in unseren Augen nur eines: Handlanger der nächstbesten Hegemonie. Sei es die Diktatur des Betrachters, die Macht der Kuratoren oder die neoliberalen Sendungen willfähriger Sponsoren und Vereinsvorstände mit Wohnsitz zum Beispiel in Bad Homburg.
Warum aber wählt der Prekarisierte immer wieder seine eigene Unterdrückung und Ausbeutung? Dieser Übermacht stellen wir uns entgegen, wir steigen vom DSDS-Siegertreppchen und schreien es Euch Dieter Bohlens, Euch Einschaltquotisten, Euch Daniel Küblböcks, Euch vor dem Spiegel singenden und hopsenden Möchtegern-Shakiras aus der Provinz, Euch Pinselschwingern aller Länder, Euch Träumern, Euch Grauschleiern, Euch Radiohead-Hörern, Euch Shoegazern ins Gesicht, denn es ist wieder an der Zeit: Hört auf zu malen!
Was ist denn nun mit dem künstlerischer Erfolg?
Erfolg bedeutet positive Verstärkung. Gegenseitiges Stiefellecken. Erfolg bedeutet Motivation und Wiederholung. Immer wieder der selbe Müll für die Claqueure vom Dienst. Solange es sich gut verkauft... 50.000.000 Elvis Fans can’t be wrong! Vielen Dank. Thank you very much, Dankeschön! I love you! Merci! (Fifi wedelt mit dem Schwanz)
Misserfolg bedeutet Resignation. Demotivation. Abgebrochener Entzug. Auf Turkey kommen bei voller Abhängigkeit. Stoffarmut ist für den Junkie ein Problem, unter dem er sich windet, schreiend und kotzend in kalten Schweissausbrüchen, Knochenschmerzen, Verzweiflung.
Für jemand, der clean ist, ist Stoffarmut natürlich kein Problem!
Wir aber können nicht mehr. Ist ja nicht mit anzusehen. Wir gehen durch Kunsthallen, Kunstmessen, Berliner Galerien und uns kommt der kalte Schweiss. Wir stehen im Atelier und uns kommt’s vor unseren leeren Leinwänden hoch. Wir können nicht aufhören mit dem Drücken. Misserfolg: Jeder Tag ist einer. Wir bringen’s nicht mehr. Wir können keine Kunst mehr produzieren und wir können keine Kunst mehr sehen! Wir werden von Unterdrückerschweinen gezwungen, stilvoll abzukratzen! Damit wir endlich verstehen, dass wir nie eine Chance hatten.
Wir haben es uns nicht ausgesucht, in so einer verlogenen Scheisswelt Künstler sein zu wollen. Wir haben nicht Helmut, Gerhard oder Angela gewählt. Wir haben nicht die Freiheit gewählt, die Ihr gewählt habt. Wir haben keinen Erfolg und das ist auch schlecht so! Wir sind natural born Junkies. Unsere Abhängigkeit ist erblich. So, wie der Erfolg aus dem Hause von Hochwohlgeboren erblich ist. Wie konnten wie nur daran glauben, einmal cleanes Leben in white cubes führen zu können? Wie konnten wir daran glauben, dass man die Seiten so einfach wechseln kann? Während Erich Lejeune, Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, auf TV. München, in der Hauptstadt der Bewegung, beschwörend, ja geradezu hypnotisch auf die Rupert Kutzners der Welt einwirkt, ihre Architekturmalereien im ganz grossen Stil rauszubringen, versinken wir Immaterialisten stillos in unserem eigenen Dreck und setzen uns einen Druck nach dem anderen. Wenigstens leiden wir nicht an Stoffarmut, bei uns gibt’s immer was zu drücken!
Vielen Dank für gar nichts !
Stoffarmut!
oder: ...alle Wege führen nach Bitterfeld
von Diego Castro
Wenn wir die dialektische Frage „Was ist künstlerischer Erfolg“ abseits schnöder monetärer Kalkulation und abseits einer den Egozentriker beglückenden Art von positiver Verstärkung erörtern, könnte eine Antwort lauten: „Künstlerischer Erfolg ist eine maximale Expansion von unabhängigem kritisch-künstlerischem Denken als öffentliche Diskussion innerhalb einer gesamtgesellschaftlichen Narration, die der Gesellschaftskritiker als wahrhaftigen Fortschritt bezeichnen könnte.“ Mit anderen Worten: Je mehr Kunst als kritischer Block Bestandteil eines gesellschaftlichen Dialoges ist, je mehr sie gesellschaftliche Impulse auszulösen vermag, selbstreinigende Kräfte mobilisiert – selbst wenn ihr nichts weiter gelingt, als den Unmut des konservativ- affirmationistischen Boulevards auf sich zu ziehen – desto mehr könnte man ihr Wirken als erfolgreich in unserem Sinne bezeichnen. Auch die Subversion des Kunstmarktes, und sei sie auch noch so plump, ist für uns mehr als Erfolg: Sie bedeutet Triumph! Allerdings ist alles Jubilieren hier allenthalben die Freude über einen kleinen Treffer auf dem Schützenfest oder hämisches Gelächter, das auf ein Tortenattentat folgt. Wir sagen Euch: Dass revolutionäre Kunst nicht Mittel zur Revolution ist, sondern nur Symptom derselben sein kann, aber nicht muss, ist uns klar. Unser Problem heißt: Keiner hört uns zu und wenn es einem doch widerfährt, dann vermutet dieser ein Spiel, oder noch schlimmer: einen Scherz! Ist das vielleicht unsere Schuld?
Ein trauriges Kapitel
Mythischen Experimenten, privater Biedermeierei oder verklärt-verschwiegener Melancholie, die bis zur egomanischen Schnöseligkeit geht, gelingt es im Moment viel eher, öffentliches Interesse auf sich zu ziehen. Das resultiert nicht zuletzt aus dem monopolistischen, konservativem Vorstoß der bürgerlichen Medien, die im Zusammenhang mit einem seit den frühen 90er-Jahren bis heute zunehmend technokratisch-konservativen, anti-avantgardistisch ausgerichtetem Markt (einschließlich seines Einflusses auf die staatlichen und halbstaatlichen Institutionen) einen reaktionären und sehr einflussreichen kulturindustriellen Komplex bildet. Dieser Komplex verteidigt und forciert mit nicht zu unterschätzender Vehemenz das eigene Interesse, welches – täuschen wir uns nicht – keineswegs rein kommerzieller Natur ist. Das neoliberale Dogma, welches Kritisches und Anstößiges, so denn es dem Profit diene, gewähren lässt, stößt hier an Grenzen: Inhaltlich wird einer gesellschaftlichen Mission der Weg geebnet, die bedeutet: Neokonservatismus, der sich bezahlt macht. Durch eine Kombination von teils gefälliger Formensprache, teils produzierter, kontrollierter, substitutiver, delegierter und somit unterdrückerischer Wildheit versucht die neokonservative Reaktion ihre Produkte zu platzieren, mehr noch: die richtige Stimmung zur richtigen Aufnahme des ideologisch gefärbten Produktes zu schaffen.
Da es sich bei der Kunst um ein besonderes kulturelles Erzeugnis handelt, nämlich um eines, dass die Kultur als sein wertvollstes Derivat hervorbringt, muss die Kontrolle dieses Hervorbringungsprozesses sehr weit greifen. Ironischerweise nennt sich ein sehr erfolgreiches, junges Presseorgan dieser neokonservativen und gleichzeitig neoliberalen Haltung Monopol. Konservativ deshalb, weil sich das Medium trotz scheinbar progressiver, allerdings technokratischer, Trendsetterei für besonders unkritische und auch formal konservative künstlerische Positionen auf ultra-personalisierter People-Ebene stark macht. Dieses dient ein weiteres Mal dazu, der selbst gewählten Vorreiterstellung im postfordistisch organisierten Produktionsapparat gerecht werden zu können. So wird die Verhandlung der Style-Frage unter Trendsettern durch ihr vorhersagbares, elitäres Ergebnis auch zur Klassenfrage. Es geht hier darum, den Diskurs einer sozial relativ mobilen bürgerlichen Oberschülerschicht zu affirmieren, was bedeutet: Klassenmässige Abschottung durch eine Performanz der Permeabilität. Kürzer: Monopol ist das Fachblatt für den Habitus der Generation Golf.
Es verspricht die gespaltene Zunge des Neoliberalismus Chancengleichheit, Partizipation und Demokratisierung, und verkauft in der Sprache des Sozialisten, des Individualisten, des Utopisten, des Radikaldemokraten oder des Anarchisten, ein System individueller Freiheiten. Hiervon sollen jene Predatoren profitieren, die im marktradikal zugespitzten Sozialdarwinismus, aufgrund ihrer guten Erbanlagen ruhig schlafen können. Auf alle anderen fällt das Leistungprinzip als Heimsuchung zurück: Sie haben es nicht geschafft, Pech gehabt!
Auf den zweiten Blick macht dieser Widerspruch also durchaus Sinn: Zunächst scheint der Mythos einer enthierarchisierten und demokratisierten Kultur der Existenz realer struktureller Ungleichheiten zu widersprechen. Als Beispiel sei hier nur das Bildungsniveau als Indikator stratifikatorischer Rigidität genannt, die Adornos und Horkheimers These, dass die Kulturindustrie ihre Konsumenten immerwährend um das betrüge, was sie immerwährend verspreche, zu bestätigen scheint. Ebenso verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der Gewährung relativer Freiheiten. Die Auflösung rigid-konservativer Formstrenge beinhaltet ja nicht zwingend die Aufhebung konservativer Inhalte oder gar die Auflösung der institutionellen Repression. Die hier stattfindende repressive Entsublimisierung dient mehr denn je dem Projekt ökonomischer und institutioneller Steuerung und Kontrolle.
Das gebrochene Versprechen der neoliberalen „Kulturrevolution“ wirkt natürlich systembestärkend: Die Ungleichheit wird scheinbar bekämpft, das System kann nicht mehr der Ungerechtigkeit bezichtigt werden, der ungleich Behandelte ist der Selektion ausgeliefert: Entweder als Fett oben mitschwimmen oder untergehen.
Die eben angedeutete aus dem inneren Kreis der Frankfurter Schule stammende Analyse der Kulturindustrie als Formation eines dem Fordismus in seiner Entwicklung hinterherhinkenden Produktionsbereichs, der lediglich danach trachten würde, die angeblich fortgeschrittenen Produktionsweisen Taylors und Fords zu reproduzieren, dieser Analyse also entgegnet die postoperaistische Sichtweise, dass die Kulturindustrie im Gegenteil die neuere post-fordistische Produktionsweise ideell, strukturell und praktisch antizipiert. Zentral für diese mittlerweile weit verbreitete Produktionsweise seien informelle Strukturen in zeitlichen, räumlichen und hierarchischen Abgrenzungen, die wir vorhin als „relative Freiheiten“ angesprochen haben. Diese setzen sich zusammen aus einer Offenheit für Improvisationen bzw. unvorhergesehene Effekte sowie der Flexibilisierung traditioneller Arbeitsteilung. Beispiel: verflachte Hierarchien als strukturelle Maßnahme vorgeblicher Selbstbestimmung. Kritik innerhalb dieser Strukturen wird keinesfalls mit Repressalien geahndet, sondern ist konsekutiv ein konstruktiver Bestandteil eines auf ständige Erneuerung zielenden, zukunftsorientierten und exklusionistisch-repressiven Produktionsapparats. Hieraus ergibt sich auch die Attraktivität des Künstlerberufs und seiner individualistisch-chaotischen Produktionsweisen für die Vertreter der Wirtschaft. Die Rolle der kritischen Kunst ist in dieser Relation zwiespältig. Wird diese toleriert, so könnte man mit Adorno und Horkheimer vermuten: „Was widersteht, darf überleben nur, indem es sich eingliedert. Einmal in seiner Differenz von der Kulturindustrie registriert, gehört es schon dazu, wie Bodenreformer zum Kapitalismus.“ Diesem Dilemma ist zum Beispiel die kritische Kunst eines Thomas Hirschhorn ausgesetzt, die – trotz aller Widerständigkeit – dergestalt integrierbar bleibt, dass sie dazu dient, die Fortschrittlichkeit der Schweiz zu repräsentieren. Dass das nicht immer gelingt ist eindeutiges Qualitätsmerkmal in Hirschhorns Werk, sagt aber mehr über den dahinter stehenden kulturellen Mechanismus aus als über Hirschhorns Werk. So dient auch kritische Kunst der Steigerung institutioneller Kredibilität und untersteht einem repressiv-toleranten Integrationismus. Wichtiger erscheinen jedoch in Zeiten staatlichen Rückzugs aus sozialen und kulturellen Verantwortungen die Rolle und die Konditionen der Kunst in einer zunehmend von Unternehmensphilosophien und unternehmerischem Geist bestimmten kulturellen Landschaft.
Kommen wir aber von der Kontemplation über die unkritisch-kommerzielle Erfolgsmaschinerie zur ursprünglichen Frage des Erfolges zurück, so treffen wir nach diesem kleinen Exkurs in die Welt der „Monopolisten“ unweigerlich auf die Erfolgsstory der deutschen Kunst der Nachwendezeit schlechthin: der neuen Leipziger Schule. Ich fände es richtig, diese Strömung, trotz aller angeblichen oder auch offensichtlichen formalen Differenzierungsmöglichkeiten, durchaus als veritable Kunstrichtung im ideologischen Sinne zu betrachten. Der Erfolg der Leipziger ist ja sehr leicht zu beschreiben. Gepuscht oder lanciert von cleveren Galeristen traf hier eine der Leipziger Schule entstammende Künstlergeneration auf eine sehr interessierte amerikanische Jäger- und Sammlerszene, was wiederum aufgrund des hieraus entstehenden überwältigenden Erfolges die Presse, Museen und Kulturpolitik interessierte und einmal mehr beweist, dass nur Erfolg im kapitalistischen System der Schlüssel zu (mehr) Erfolg ist. Was die amerikanischen Sammler mittlerweile fast schon traditionell an der deutschen Malerei interessiert, ist die Befriedigung eines Fetischismus für Historienmalerei und eines gewissen Doom-Faktors, durchaus vergleichbar mit dem amerikanischen Erfolg der deutschen Band Rammstein oder der obsessiven Darstellung des Deutschen als Nazi-Schergen in Hollywood-Filmen oder dem Erfolg des düsteren Nationalgrufties Anselm Kiefer in den Achzigern. Zeitgenosse Jonathan Meese hat glücklicherweise den irrsinnigen Humor und die Oberflächlichkeit solcher zardozianischer National- und Totalitärmythologie mit dem gebührenden Unernst auch auf den amerikanischen Markt geworfen, und man dankt es ihm mit unbekümmerten Ankäufen, die nichts anderes sind als ein Ausdruck von Unwissen, wobei man sich streiten kann, ob das Wissen oder aber das Unwissen über Meeses selbsterteilten verzweifelten Auftrag der Entmythisierung ursächlich für seinen Erfolg sei.
Wer sich mit solchen Fragen nicht beschäftigen mag, sondern einfach nur die deutsche Wertarbeit (oder zumindest das, was noch so tut als ob) liebt, der stürzt sich nun mit ähnlichem Fetischismus auf die etwas jüngere deutsche Vergangenheit stalinistischen Staatsterrors und realsozialistischer, kontrollstaatlicher Stasimanie. Dass dabei die Inhaltlichkeit auf der Strecke bleibt und hier die Abwesenheit von Geschichte herrscht, von Geschichten, von Menschen und von Gesellschaft, wird billigend (aber teuer) in Kauf genommen. Das ererbte historische Vokabular (sprich: Historienmalerei), dass sich von seinen Bedeutungen abgelöst zu haben scheint, stand in seiner Blösse der Begeisterung der amerikanischen Sammler ebenso wenig im Weg, wie der lange Zeit herrschenden Jubellaune der Kulturberichterstattung und der nach “endlich-wieder” Malerei lechzenden Museumsdirektoren.
Der lange Marsch durch die Institutionen, oder: Zeittotschläger
Wir leben in einer Zeit der Überschreibung inhaltlicher Diskurse von der Kunst auf die Institutionen. Das heißt, das Thema findet nicht mehr im Werk (z. B. auf Leinwand) statt, sondern wird kontextuell durch den Curator’s Digest in Katalogform, Besucherführung oder auf DIN A4 Zetteln hergestellt. In solchen Zeiten erscheint es nur konsequent, die Kunstdiskurse von den vor der Macht kuschenden Künstlern auf die stärkeren Institutionen zu überschreiben. Ein Gang durch die Sammlungen dieser tristen, malerischen Manifestationen künstlerischer Aporie erscheint denn auch wie ein Spaziergang durch die abgewickelten Industriebrachen von Bitterfeld. Ich zitiere Hanns Werner Schmidt, Direktor der Leipziger Kunsthalle: „Obwohl die Bilder großteils in Gegenständlichkeit ausformuliert sind, bleibt das Innerste, das sie zusammenhält, abstrakt. [...] Es sind Stimmungsbilder, die eine melancholische Gelassenheit im Status quo zeigen“.
Ich schließe mich seiner Meinung an, wenn Schmidt behauptet, das Innerste bleibe abstrakt. „Abstrakt“ als Unfähigkeit, die Vorherrschende innere Leere mehr als nur zu formalisieren, sondern auch herleiten zu können und der aus dieser Herleitung unweigerlich resultierenden Politisierung ihre narrative Kraft zu gewähren. Richtig ist folglich, dass es sich hierbei um Stimmungsbilder handelt. Gefragt wird aber nicht: „Warum [Grafiker: Bitte kursiv hervorheben!] geht es mir so dreckig?“
Kommen wir aber zum eigentlichen Kern der Aussage: „Es sind Stimmungsbilder, die eine Gelassenheit im Status quo zeigen“. Gelassenheit? Ein schwammiger Ausdruck! Gelassenheit im Sinne von Affirmation, Ignoranz oder gelähmter Depression? Oder ist das vielleicht schon zu weit gedacht? Vielleicht geht es noch oberflächlicher: „Mir geht’s nicht gut.“ Punkt. Geschichte ist. Punkt. Ende der Fahnenstange. Also weder: Die Geschichte ist vorbei, mal gewesen, vielleicht immer noch da, oder aber Geschichte wird gemacht. Nein, es ist Atempause. Der Hauch der Geschichte hält inne und saugt weder ein noch aus. Er ist nur noch durch seinen leicht fauligen Mundgeruch bemerkbar. Indes steht der Maler an einem verregneten Tag an einer stillgelegten Bushaltestelle im Osten der Republik und wartet traurig.
Aber selbst wenn er die Angst überwände, ein geschichtlich-verbindliches Statement von sich zu geben; selbst wenn er sich zur Abwechslung mal nicht dem universalistischen, zu allem kompatiblen, absatzorientierten Utilitarismus der marktmäßigen Kunst unterstellen würde und nun sagte: Geschichte wird gemacht, z. B. von denen, die über sie schreiben, bzw. malen, selbst wenn man all das also überwände, bliebe man hier doch in der archivarischen Ruhe der geschichtlichen Klamottenkiste gefangen. Weil es nicht anders gewollt wird. Weil die Idee, künstlerisch etwas zu fordern, im Paradies verpönt ist. Weil da etwas aus Ruinen auferstanden ist, das aussieht wie Guido Knopp und mit der blechernen Stimme Adenauers ruft „Wir wählen die Freiheit!“, während sportliche Fanfaren erklingen und HP-Baxxter das Land leer shoutet. Weil Gerhard Schröder Kultur zur Chefsache erklärt hatte. Weil Guido Westerwelle Sammler ostdeutscher Malerei ist. Weil man sich vor Angst in die Hosen scheißt bei dem Gedanken, Guidos Spaßmobil könnte irgendwann mal vorbeisausen ohne anzuhalten, so wie der ICE bei Bitterfeld, wo man bitte nicht aus dem Fenster sehen sollte.
Helmut Kohl war kein Lügner. Helmut war Gott. Und sein Volk sprach: „Wir wollen die Mark“ Und der Gott sprach: So und so viel! Und damit müsse sich der Erdenmensch-Ost jetzt zufrieden geben. Und er könne sich nicht beklagen. Dieser gerettete Mensch verfällt nun, da er alles Schöne vom Himmel erhalten habe, und alles Schlechte verloren, in eine merkwürdige grauschleierige, vermalte Melancholie. Helmut Schmidt und viele andere Wessis werden nicht müde zu sagen, sie könnten diese neue Ostalgie nicht verstehen. Sie können nicht verstehen, dass man auch in der DDR eine schöne Kindheit haben konnte. Aber zum Glück kann man das, was man in Talkshows nicht sagen darf, wenigstens malen. Und zum Glück können die Männer des Westens diese unverstandenen Schwelgereien kaufen.
Aus den neuen Bundesländern, in denen harte und härteste soziale Realitäten das Leben der Menschen beherrschen, wo Arbeitslosigkeit, Ausbeutung und Perspektivlosigkeit ein Klima der Resignation und demokratiefeindliche Ressentiments schaffen, die Nährboden für Rechtsradikalismus und Fremdenverfolgung sind, gerade von hier kommt eine Kunst, die sich mit der unmittelbaren Realität vor den Atelierwänden kaum befasst. Stattdessen blicken wir auf die vor Phantasie blühenden Landschaften von Neo Rauch, weltfremden Surrealismuskitsch von Tilo Baumgärtel oder die oberflächenhaften Architekturmalereien David Schnells oder Eberhard Havekosts.
Ein wichtiger Grund für die Weltflucht in jenseitige Bewusstseinsebenen oder schlichtweg in surreal-quatschige Phantasiewelten war natürlich die staatliche Realismus-Doktrin in den realsozialistischen Ländern. Der hier vorgefundene, sehr spezifische und zu damaliger Zeit an sehr vielen Kunsthochschulen des Ostblocks praktizierte Ost-Surrealismus, in dem der Künstler auf dem Regenbogen spazieren geht, Frauen im Inneren von Seifenblasen in Embryonalstellung kauern und Pferde frei und high alle nach Bitterfeld führenden Wege zertrampeln, möglichst ohne Staub aufzuwirbeln, war natürlich ein Ausdruck bürgerlicher Revolte und bekam Sinn durch die äußeren Zustände des totalitären Ostens, durch seine Zensur, seine Dissidentenverfolgung, die bigotten Inszenierungen selbstzerfleischerischer Selbstkritik im Namen des dialektischen Materialismus, kontrollstaatlichen Bespitzelungs- und Überwachungswahn und nicht zuletzt durch politischen Knast. Der Realismus, der aus der Formalismusdebatte hervorgehen sollte, war mitunter auch Verhandlungsbasis in einer Diskussion um die Legitimität der surrealistischen Form. Nicht selten ging diese zu Ungnade des Künstlers aus, wie im Falle eines Manfred Kastner, und nicht selten waren hier kosmische Landschaften mehr oder minder verschlüsselte Republikfluchtsphantasien im surrealistischen Schlafrock. Dies war durchaus eine Art dissidentischer Geheimcode, der sich nicht nur in der Kunst, sondern durchaus auch in den magisch-versponnen Texten von DDR-Rockbands der 70er- und 80er-Jahre manifestierte. Wer sich heute das Album Schwanenkönig von Karat anhört, wird sofort verstehen, was ich meine. Dass sich neben dem staatskünstlichen Formenrepertoire auch diese trotz allem Kitsch und trotz aller Verschlafenheit als dissidentisch einzustufenden Kulturversatzstücke als Gespenst in der Gegenwartskunst der Ex-DDR halten, ist nach dem Zusammenbruch des Sozialismus mehr als verwunderlich, zumal hier die geschichtliche Fracht scheinbar nur noch formalisiert und nicht verhandelt wird.
Man hätte hoffen können, dass die solange geknebelte Kunst, nach der Entfesselung eine Schnauze hätte entwickeln können, vor der selbst Biermann vor Neid erblasst wäre.
Wo nicht nur die Freiheit zu pro-westlichen – ja sagen wir es ruhig – kapitalistischen Diskursen vorliegt, sondern diese mit offenen Armen empfangen wurden, so wie man eine Dampfwalze in die Arme schliesst, ist die Abwesenheit von konkreten Statements zunächst vielleicht frappierend. Die Logik, die hierin liegt, erschließt sich vielleicht, wenn man davon ausgeht, dass das herrschende gesellschaftliche Medium im Realsozialismus die Sprache, genauer gesagt, der dialektische Materialismus war, während das Medium im Kapitalismus die Ökonomie ist, also die Unterteilung von allem in Erfolg oder Misserfolg. Dass die märchenhafte Verzauberung dem Spektakel näher steht als der Dialektik, brauche ich hier wohl nicht weiter zu erläutern. Der Untergang der DDR brachte dieses Vokabular zu gesamtgesellschaftlicher Dialektik zum Verschwinden. Was blieb, waren die Märchen.
Der Plattenbau war revolutionär. Die Plattenbaumalerei nicht.
Dass im Lager der Plattenbaumaler sich der modernistische Funktionalismus dem Ornament anheim gibt, spricht ebenfalls Bände und scheint wie die gelebte Umkehrung von Adolf Loos’ Ausspruch: „Das Kunstwerk ist revolutionär, das Haus konservativ.“ Aber seien wir nicht ungerecht: Die Wahrheit ist, dass da, wo der Bitterfelder Weg zum Trampelpfad wurde und wo heute nur noch Gras drüber wächst (es heißt ja, die Natur hole sich die verlassenen Städte allmählich zurück), dass also hier Efeu über die abgewickelten Industrieanlagen rankt wie über die historischen Versatzstücke ostdeutscher Identität auf den Leinwänden der Hofmaler, der Kriegsgewinnler, der Treuhandanstältler und der Boys von der Ivy League. Die Preisfrage lautet: Für wen malen die Ossis? Oder fallen Ihnen vielleicht namhafte ostdeutsche Sammler zeitgenössischer Malerei ein? Na also!
Aber lassen Sie uns weiter darüber sinnieren, wie es zu derartiger Stoffarmut kommen konnte. Die Gründe dafür nur psychologisierend oder soziologisierend in der Abwicklung und allgemeinen Verarschung des Ostens durch den Westen zu suchen, wäre ebenso unvollständig wie falsch: Im Osten begegnet man der Problematik des kapitalistischen Produktionsethos immer noch stolz – weil noch nicht von Randstadt geschluckt – nach Hausmacher-Art mit Palette und Pinsel und ist bei so vielen Überstunden im Atelier froh, die Diskursarbeit in die treuen Hände findiger Galeristen und gewiefter Ausstellungsmacher geben zu können.
Im Westen hingegen lebt man schon lange vor, wie moderne Arbeitsteilung auszusehen hat: Die auf die Ermattung nach hilflosen Selbstpräkarisierung-als-Kunstform-Projekten der 90er folgende Aporie, geboren aus der zunächst zerstörerischen, dann aber entspannenden Erfahrung, gegen die Windmühlen des Kapitalismus doch ohnmächtig zu sein (Wat’n Glück, man kann sich eh nicht mehr wehren. Erstmal Beine hoch), dieser Quell negativistischen Denkens bei gleichzeitigem affirmativem Handeln, Manifest aporistischem „Trotzdem-Tuns“, diese Ermattung, die heute Künstlergruppen wie „The Bernadette Foundation“ in ihrem blasierten Weltuntergangskunst-Chique nährt, diese ratlose, bohrende und quälende Selbstbefragung hat man hier auf den in der Regel abgebrüht, unberührt bleibenden Ausstellungsbesucher weiter delegiert. Vorbei die Zeiten, in denen man sich als Künstler noch mit der Unmöglichkeit, geschweige denn mit der Möglichkeit, die Welt verändern zu können, abgeben musste.
Die relationelle Ästhetik – mittlerweile durchaus massenkompatibler Mainstream – bietet die Lösung aller alten Probleme wie zum Beispiel die Isolation des Einzelnen im Konsumkapitalismus, die Präkarisierung des Privatlebens (und somit des Emotionalen) durch flexible Arbeitsstrukturen und so weiter als Simulation für angeblich „Alle“ zugänglich gemacht, tatsächlich aber nur für einige wenige, genauer diejenigen, die über die Produktionsmittel zur Kunstbeflissenheit verfügen.
Hier wird vorgelebt, wie man in der Instrumentalisierung und Unterordnung so etwas wie Selbstbestimmung trotzdem fühlen kann. Die Künstler, oftmals selbst Opfer prekärer Strukturen oder aber auch Erzeuger prekärer Strukturen (also Assistent sein oder Assistenten beschäftigen), haben die Frage nach dem revolutionären Potenzial von Kunst in Geringschätzung dieses Aspekts, der schließlich einmal maßgebend für die Moderne war, abgegeben. Das Publikum soll sich damit beschäftigen (gleichwohl es das sowie nicht macht). Die Kuratoren sollen sich damit beschäftigen. In dieser Form von Arbeitsteilung ging vor allen Dingen eines verloren: Die Selbstbestimmung der Künstler. Denn wer seinen eigenen Diskurs nicht bestimmt, der ist in unseren Augen nur eines: Handlanger der nächstbesten Hegemonie. Sei es die Diktatur des Betrachters, die Macht der Kuratoren oder die neoliberalen Sendungen willfähriger Sponsoren und Vereinsvorstände mit Wohnsitz zum Beispiel in Bad Homburg.
Warum aber wählt der Prekarisierte immer wieder seine eigene Unterdrückung und Ausbeutung? Dieser Übermacht stellen wir uns entgegen, wir steigen vom DSDS-Siegertreppchen und schreien es Euch Dieter Bohlens, Euch Einschaltquotisten, Euch Daniel Küblböcks, Euch vor dem Spiegel singenden und hopsenden Möchtegern-Shakiras aus der Provinz, Euch Pinselschwingern aller Länder, Euch Träumern, Euch Grauschleiern, Euch Radiohead-Hörern, Euch Shoegazern ins Gesicht, denn es ist wieder an der Zeit: Hört auf zu malen!
Was ist denn nun mit dem künstlerischer Erfolg?
Erfolg bedeutet positive Verstärkung. Gegenseitiges Stiefellecken. Erfolg bedeutet Motivation und Wiederholung. Immer wieder der selbe Müll für die Claqueure vom Dienst. Solange es sich gut verkauft... 50.000.000 Elvis Fans can’t be wrong! Vielen Dank. Thank you very much, Dankeschön! I love you! Merci! (Fifi wedelt mit dem Schwanz)
Misserfolg bedeutet Resignation. Demotivation. Abgebrochener Entzug. Auf Turkey kommen bei voller Abhängigkeit. Stoffarmut ist für den Junkie ein Problem, unter dem er sich windet, schreiend und kotzend in kalten Schweissausbrüchen, Knochenschmerzen, Verzweiflung.
Für jemand, der clean ist, ist Stoffarmut natürlich kein Problem!
Wir aber können nicht mehr. Ist ja nicht mit anzusehen. Wir gehen durch Kunsthallen, Kunstmessen, Berliner Galerien und uns kommt der kalte Schweiss. Wir stehen im Atelier und uns kommt’s vor unseren leeren Leinwänden hoch. Wir können nicht aufhören mit dem Drücken. Misserfolg: Jeder Tag ist einer. Wir bringen’s nicht mehr. Wir können keine Kunst mehr produzieren und wir können keine Kunst mehr sehen! Wir werden von Unterdrückerschweinen gezwungen, stilvoll abzukratzen! Damit wir endlich verstehen, dass wir nie eine Chance hatten.
Wir haben es uns nicht ausgesucht, in so einer verlogenen Scheisswelt Künstler sein zu wollen. Wir haben nicht Helmut, Gerhard oder Angela gewählt. Wir haben nicht die Freiheit gewählt, die Ihr gewählt habt. Wir haben keinen Erfolg und das ist auch schlecht so! Wir sind natural born Junkies. Unsere Abhängigkeit ist erblich. So, wie der Erfolg aus dem Hause von Hochwohlgeboren erblich ist. Wie konnten wie nur daran glauben, einmal cleanes Leben in white cubes führen zu können? Wie konnten wir daran glauben, dass man die Seiten so einfach wechseln kann? Während Erich Lejeune, Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, auf TV. München, in der Hauptstadt der Bewegung, beschwörend, ja geradezu hypnotisch auf die Rupert Kutzners der Welt einwirkt, ihre Architekturmalereien im ganz grossen Stil rauszubringen, versinken wir Immaterialisten stillos in unserem eigenen Dreck und setzen uns einen Druck nach dem anderen. Wenigstens leiden wir nicht an Stoffarmut, bei uns gibt’s immer was zu drücken!
Vielen Dank für gar nichts !
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