Montag, 30. September 2013

Preis der Nationalgalerie

Von Diego Castro
23.09.2013
ND-Feuilleton

Gegen die Standards

Preis der Nationalgalerie

Der Preis der Nationalgalerie für junge Kunst 2013 ging an Mariana Castillo Deball. Die
fünfköpfige Jury wählte aus vier vorgeschlagenen Kandidaten die in Berlin lebende Künstlerin aus.
Geboren 1975 in Mexico City, arbeitet die in bildender Kunst und Philosophie ausgebildete Castillo
Deball genreübergreifend zum Thema Mexiko. Anlehnend an einen Essay von Octavio Paz, beruht
die Thematik aber nicht auf einem schlichten mexikanischen Nationalismus, sondern vielmehr auf
dem Bewusstwerdungsprozess einer postkolonialen Kultur. Vor diesem Hintergrund soll aber
weniger eine abgehandelte Identitätskrise befragt werden. Castillo Deball verortet die bereits
historische Krise in ihren Repräsentationsformen.
Im Hamburger Bahnhof installierte sie einen raumfüllenden, begehbaren Holzschnittstock, der eine
fiktionalisierte Geografie aus der Zeit der Konquistadoren zeigt. Darauf indianisch anmutende
Kostüme und andere Exponate. Die Künstlerin verweist auf museale, anthropologische und
kunsthistorische Kulturtechniken, die sich mit der Repräsentation einer mexikanischen Kultur
befassen. Dabei paraphrasiert der oftmals frei assoziative Umgang der Künstlerin mit
archäologischen und ethnologischen Artefakten oder historischen Quellen den fiktionalen Gehalt so
mancher Ausstellungsinszenierungen. Ihre Arbeit zeugt jedoch weniger vom Aufklärungswillen der
Institutionskritik, als vielmehr von künstlerischem Selbstbewusstsein. Castillo Deball trotzt mit
ihrer Arbeit dominanten wissenschaftlichen Standards und kratzt an gegebener Deutungshoheit.
Erstmals war die Auszeichnung in diesem Jahr nicht mit einer Preissumme verbunden. Die
ursprünglich mit 100 000 Euro ausgestattete Ehrung, seither mit stetig schrumpfenden Budget, baut
zur Unterstreichung ihrer Relevanz nicht mehr auf Jackpot-Effekte, sondern vertraut ganz auf die
eigene instituierende Kraft. Der Preis besteht fortan aus einer Einzelausstellung in einem der Häuser
der Nationalgalerie. Dies sei die größere Wertschätzung, so Udo Kittelmann, Direktor der
Nationalgalerie. In der Neuausrichtung des Preises sieht er letztlich eine Optimierung, aus der
vielleicht ein neues Selbstbewusstsein der Institutionen gegenüber einem allzu flüchtig gewordenen
Kunstmarkt spricht. Der Preis für junge Filmkunst ging ebenfalls an einen Mexikaner, den in
Hamburg lebenden Dokumentarfilmer Victor Orozco Ramirez.
Bis 12. Januar, Hamburger Bahnhof, Berlin

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