Montag, 15. Juli 2013

Rezension

„Stadt: Kultur“ - Architekturausstellung in der Akademie der Künste

von Diego Castro
gekürzt und unschön redaktionell bearbeitet  erschienen in der jungen welt:
https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2013/03-25/030.php

Der Einfall, mit dem Bau architektonischer Wahrzeichen Impulse für die Stadtentwicklung zu geben, ist ein alter Hut. Ob Kunsthalle oder Oper, stets sollte die Kultur die Stadtentwicklung beflügeln. Bereits in den 1960er Jahren entstanden städteplanerische Interventionen, die oft in sozialen und inklusiven
Kulturkonzepten ihren Ursprung hatten. Wie die jüngere Baugeschichte gezeigt hat, setzte sich aber eine eher kommerzielle Idee vom Kulturzentrum als städtebaulicher Faktor durch. Mit der Einführung von City-Rankings geriet die Landmark-Architektur zum Leitmotiv im Wettstreit der Metropolen. Von spektakulär gestalteten Kulturinstitutionen erhoffen sich Städte den wirtschaftlichen Kick-Start. Die sich
wiederholenden Konzepte neoliberalen Stadtmarketings, Städte durch den Bau prestigiöser
Architekturikonen wirtschaftlich anzukurbeln, betreffen mittlerweile fast jede europäische Metropole. Nicht immer gereichen diese Pläne zum Vorteil.
Die synergetischen Auswirkungen von Frank O. Gehrys kühnen Guggenheim-Museum auf die einst
strukturschwache Region Bilbao wurden gefeiert. Sie prägten den Begriff Bilbao-Effekt, der für Landmark-Architektur als strukturpolitisches Allheilmittel steht. Über die mangelnde Nachhaltigkeit besagten Effekts, sowie über die Schwierigkeiten, in einer derart dominanten Architektur Kunstwerke adäquat zu präsentieren wird, jedoch ungern geredet. Auf die Spektakularisierung der Kultur folgte ein baldiges Abflauen des Tourismus. Die mühsam angekurbelte Lokalwirtschaft verlor wieder an Schwung. Probleme der Budgetierung und negative soziale Auswirkungen werden gerne unter den Teppich gekehrt, wenn es darum geht, ein investorenfreundliches Klima zu schaffen. Im Städtewettbewerb scheint das Architektur-Spektakel unausweichliche Logik. Die Folgen -Gentrifizierung und Haushaltsdefizite- sind bekannt.
Mit „Kultur: Stadt“ zeigt die Akademie der Künste jetzt eine Ausstellung, welche sich der Kulturinstitution
als urbanen Impulsgeber widmet. Anhand von 37 Beispielen erhält man einen interessanten Einblick in
sowohl historische als auch aktuelle Bauprojekte und Interventionen. In sechs Sektionen unterteilt Kurator Matthias Sauerbruch verschiedene strategische Vorgehensweisen, Stadträume kulturell zu aktivieren. Dies gelingt ihm durch eine vielfältige Auswahl. Viele der gezeigten Architekturen sind bereits bekannt. Das ist aber kein Problem, im Gegenteil: Die Ausstellung bietet detailreich und nicht ohne kritische Töne Informationen, deren Komplexität sich der öffentlichen Diskussion nicht selten entzieht. Innovativ die Idee, die gesamte Ausstellungsdidaktik per Tablet-Computer erlebbar zu machen. Neben kurzen Infotexten und Hintergrundwissen wird auch eine informative Video-Tour des Kurators geboten, sowie Filmbeiträge von Studenten der Berliner Film- und Fernsehhochschule DFFB.

Kostenexplosion und Verschleppung, wie am Beispiel der Hamburger Elbphilharmonie, bleiben nicht
unerwähnt. Die Ausstellungsmacher legen jedoch Wert darauf, dem Besucher Raum für eigene
Schlussfolgerungen zu lassen. Trotzdem hätte man sich hier und da etwas schärfere Töne gewünscht,
insbesondere bei der Frage nach der Sozialverträglichkeit urbanistischer Interventionen. Positiv zu
vermerken ist eine nicht nur auf Großprojekte beschränkte Sichtweise. Alternativen und leiseren Tönen wird ebenso Raum gegeben. Generalisierende Vorstellungen von städtischer Transformation werden entgrenzt. So erfährt man, wie eine monatliche Suppenküche zur Tauschbörse sozialer und basisdemokratischer Ideen zur Stadtentwicklung wird. „Detroit Soup“, ein von Kate Daughdrill und Jessica Hernandez initiiertes Kunstprojekt, reagiert auf Rezession und schlechte Sozialpolitik mit einer Mischung aus partizipativer Kunst und Sozialarbeit. In großen Versammlungen wird Suppe gereicht, dann werden Selbsthilfeinitiativen zur Verbesserung der Lebensqualität in den verslumten Stadtteilen Detroits vorgeschlagen. So entstanden bezahlte Pratikumsplätze für Arbeitslose oder Schlafsäcke für Obdachlose, finanziert durch Spenden und den Verkauf von Suppe. In einer Arbeit des Konzeptkünstlers Jochen Gerz erfahren wir, dass städtische Entwicklung auch eine Frage der Mitsprache ist. In „2-3 Straßen“, ein Projekt mit 78 Teilnehmern, verdichtet sich in Buchform, dass eine Stadt ein kollektives Narrativ ist und viel komplexer als so mancherlei technokratische Inspiration, die aus Star-Architekt plus Opernhaus urbanistische Zukunftsmusik komponieren möchte.

Die Ausstellung, zu der auch ein Katalog erscheint, wird von einem reichhaltigen Veranstaltungsprogramm begleitet und ist noch bis zum 26. Mai in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, in Berlin-Tiergarten zu sehen. Der Eintritt ist am 1. Sonntag im Monat frei. Weitere Informationen auf: www.adk.de

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